Im letzten Jahr meiner Osteopatieausbildung (1999) besuchte ich ein Mal pro Woche eine Krabbelgruppe im Frauenzentrum Wiesbaden. In diesen Gruppen beobachtete ich die Säuglinge in ihren Bewegungen. Wenn ich Einschränkungen erkannte, behandelte ich sie unentgeltlich.
Damals befand sich die Osteopathie in Deutschland, gerade was Säuglingbehandlung betraf, noch in ihren Kinderschuhen.
Vielen Dank an das Team "Serona" und die Mütter, die mir diese Erfahrung ermöglicht haben.
Ein Auszug aus dem Interview mit Frau Sigrid Schellhaas, Mitbegründerin des Frauenzentrums Sirona e.V 2003.
"Was ist eigentlich Osteopathie?"
"Eine osteopathische Behandlung beinhaltet eine weitgefächerte Betrachtungsweise des Körpers in Bezug auf seine komplexen Funktionskreisläufe. Über Mechanik und zelluläre biochemische oder biomagnetische Prozesse und deren Rückkopplung auf die Funktionalität des Körpers. Störungen in diesen Systemen können Entwicklungsverzögerungen, Schmerz, Unwohlsein und Krankheit auslösen. Die osteopathische Behandlung bietet eine Möglichkeit, den Organismus in seiner Gesamtheit in eine bessere Balance zu bringen.
Ist der Körper in Balance, gibt es keinen Raum für Krankheit."
"Warum sollten Babys behandelt werden oder sogar Neugeborene, sie sind doch vielen störenden Einflüssen noch gar nicht ausgesetzt gewesen?"
"Befragt man Mütter, so berichten sie um die starken Kräfte während der Geburt, welche beide erleben. Jede Geburt hat etwas außerordentlich Schmerzhaftes und gleichzeitig etwas außergewöhnlich Schönes, ihr entspringt neues Leben. Stellen sie sich nun vor, dass diese gewaltige Kraft der Wehen auf Strukturen trifft, die noch nicht verknöchert sind, sondern nur aus Knochenkernen mit Knorpel und Bindegewebe bestehen.
Zum Beispiel die Schädelknochen, die Beckenknochen, das Schlüsselbein, um nur einige zu nennen oder das Zwerchfell unser Hauptatemmuskel, der extremen Verwringungskräften während der Geburt ausgesetzt wird. Dieser Kraftinput kann auf diese und auch auf andere Systeme, so stark einwirken, das es zu Kompression der Bindegewebststruktur kommt. Sie können die Mechanik, die Dynamik und den stofflichen Informationsaustausch beeinträchtigen und in der weiteren Entwicklung funktionelle Störungen verursachen."
"Bei welchen Symptomen ist eine Säuglingsbehandlung sinnvoll?"
"Ich betrachte es immer als sinnvoll Neugeborene und deren Mütter nach einer Geburt zu behandeln. Gehe ich aber von auftretenden Symptomen aus, so sind Säuglinge, die eine bevorzugte Kopfhaltung oder Körperhaltung annehmen, überstreckt, wie ein Pflitzebogen liegen, dringend zu behandeln. Schreikinder die nicht zur Ruhe kommen, Säuglinge die Entwicklungsverzögerungen zeigen oder das Überspringen vom Robben und Krabbeln, stattdessen bewegen sie sich auf dem Po vorwärts. Manche Kleinkinder verfügen nicht über den Muskeltonus sich Zeitgemäß zu entwickeln. Oder den Eltern fällt auf, das der Hinterkopf abgeflacht ist und der Schädel eine Asymetrie zeigt. Immer wiederkehrende Ohrentzündungen, oder tränende Augen....
Kinder können unter Konzentrationsproblemen leiden, die sich in Lernschwierigkeiten äußern. Ihr Kind leidet unter Einschlafstörungen und Unruhezuständen, Koordinations- oder Sprachschwierigkeiten. All diese funktionellen Symptome sind osteopathisch zu behandeln, wenn die Ursache in der Verfestigung von Struktur liegt.
Unser Körper ist in der Lage, sich an Situationen anzupassen, um vieles selbst zu regeln. Jedwede Anpassung bedeutet Energieaufwand, die dem Körper verloren geht. Und doch ist es jedes Mal wie ein Wunder, wenn Eltern mit ihrem Neugeborenen zu mir kommen, um nur mal nachschauen zu lassen, ob alles in Ordnung ist. Wenn ich dann feststelle, dass der Säugling vieles schon selbst gelöst hat und er mit nur einer Behandlung vorerst in sein kleines wunderbares Leben entlassen werden kann, bin ich fasziniert über die Selbstheilungskraft unseres Körpers.
Nichts desto trotz gibt es viele Babys und Kinder, bei denen eine langfristige Behandlung sehr wichtig sein kann. Die Dauer ist abhängig von dem Schweregrad der Bindegewebskompression und kann erst im Verlauf des Wachstums beurteilt werden."